Für alle statt für wenige


Krise: Zuschauen und schönreden

12.Februar.2016

Wie lange schaut der Kanton noch zu, wie die Wirtschaft ächzt, Leute Stellen verlieren und die Arbeitslosigkeit steigt?

Der Frankenschock beutelt die St.Galler Exportwirtschaft. Seit der Aufhebung des Euromindestkurses am 15. Januar 2015 haben sich ihre Produkte um 20 Prozent verteuert. Viele Betriebe sind in Schwierigkeiten. Entgegen den Prognosen der Nationalbank SNB unter Thomas Jordan hat sich der Frankenkurs nicht auf einem erträglichen Niveau eingependelt. «Der Franken ist immer noch stark überbewertet», sagt Chefökonom Daniel Lampart vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Der Kurs gegenüber dem Euro liegt heute bei unter Fr. 1.10. Laut Lampart müsste er mindestens bei Fr. 1.20 sein. Sogar FDP-Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann teilt diese Ansicht.

Untragbare Kosten

Die Kosten der fatalen SNB-Politik werden immer grösser. Die Arbeitnehmenden bezahlen die Zeche durch Stellenabbau, Arbeitslosigkeit und erzwungene Gratis-Mehrarbeit, sprich Lohnklau. Die Gewerkschaft Unia schätzt, dass schlaue Manager den Büezern allein in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie rund 140 Mio. Franken abgeknöpft haben. Die Gratis-Mehrarbeit in Form einer höheren Wochenarbeitszeit (42 oder sogar 45 Stunden) war in manchen Fällen wirtschaftlich unbegründet. Sie diente allein der Sicherung der Marge, die durch konkurrenzbedingte Preissenkungen bedroht ist. Bühler Uzwil ist dafür der beste Beweis. Der Maschinenbaukonzern verlangte schon vor drei Jahren monatelange Gratis-Mehrarbeit wegen Währungsproblemen. Die folgenden Jahresberichte beweisen, dass das Manöver nur das Gewinnniveau bei leichtem Umsaztrückgang sicherte. Jetzt wiederholt der Uzwiler Konzern dasselbe Spiel und geht mit 45 Wochenstunden sogar ans Limit.

Wie viel Geld den St.Galler Arbeitnehmenden unter Hinweis auf den Frankenschock aus der Tasche gezogen wurde und im Portemonnaie von Management, Verwaltungsräten und AktionärInnen landet, muss erst noch berechnet werden. Ein Millionenbetrag ist gewiss. Schlimmer aber ist der Flurschaden, den die Nationalbank mit ihrer verfehlten Währungspolitik durch den Stellenabbau verursacht. Die monströse Massenentlassung bei GE-Alstom im Aargau (1’300 Stellen) verdeckt die alltägliche Jobvernichtung auch im Kanton St.Gallen. EgoKiefer, Weidmann, Tipper Tie, Weidplas, Aluwag, Gallus Ferd. Rüesch, Meyer Mayor, Möbel Svoboda, Scapa oder Flumroc sind eine unvollständige Aufzählung von Firmen, die Stellen unter Hinweis auf die Frankenkrise abegabut haben. Wie beim Lohnklau ist das ganze Schadensausmass noch unberechnet. Weder die Wirtschaft noch der Kanton haben ein Interesse daran, der Öffentlichkeit reinen Wein einzuschenken und das wahre Ausmass der Krise zu benennen.

Schweigekartell

Stattdessen wirkt ein Schweige- und Schönredner-Kartell ähnlich der Omertà bei der Mafia. So verkündet der arbeitgebernahe Konjunkturexperte Peter Eisenhut im «Tagblatt», die Ostschweiz sei «knapp an einer Rezession vorbeigeschlittert». Dies obwohl die Grenzregion Ostschweiz wegen der Firmenstruktur vom Frankenschock weit stärker getroffen wurde als andere Gebiete. Der «Tages-Anzeiger» schreibt, wir seien «bisher mit einem blauen Auge davongekommen». Die Mehrheit nehme die Frankenaufwertung «nicht als Nachteil» wahr. Die Arbeitslosen dürften solche Schlagzeilen nur als zynisch empfinden.

Gerade im Kanton St. Gallen ist die Zunahme der Stellenlosen dramatisch. 12’000 suchten Ende 2015 einen Job. Das sind 12,4% mehr als im Vorjahr. Die Arbeitslosenzahl ist um 14,3 Prozent gestiegen. Besonders stark ist der Anstieg im See-Gaster mit 15,8%. Im Werdenberg und im Sarganserland, wo es viel Industrie gibt, beträgt er gar 25%. Das sind katastrophale Werte – Folgen der industriefeindlichen Politik von Jordan & Co.

Und was tut der Kanton? Passive Krisenverwaltung, lautet das Konzept. Die Volkswirtschaftsdirektion legt die Hände in den Schoss und verharrt in Narkose. Während Kantone wie Genf oder Waadt mit Krisenfonds frankengeschockten Firmen unter die Arme greifen und damit eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben, bleibt St. Gallen neolibeal blockiert. Man lässt die Betroffenen im Regen stehen und huldigt dem bürgerlichen Credo, der Staat habe sich möglkichst aus der Wirtschaft herauszuhalten. Die Demonstration von GewerkschafterInnen für mehr Lohnschutz im letzten Herbst hat wenig bewirkt. Der Versuch von Volkswirtschaftschef Benedikt Würth (CVP), die Zahl der Kontrolleure gegen Lohndumping minim zu erhöhen, scheiterte am Widerstand des Bürgerblocks im Kantonsrat, der parteiübergreifend den Staat durch einen Stellenstopp abmagern will. Der Versuch war wohl auch nicht sonderlich ernst gemeint. Von einer politischen Intervention gegen die falsche SNB-Politik ist keine Rede.

Der Brand ist längst da. Wo aber bleibt die Feuerwehr?

 




SP vor Ort